Kernfamilie

KERNFAMILIE

Als alleinwohnende, lesbische Person spürte ich die Gewalt des politischen, normativen Sprachgebrauchs. Ich fand mich in den ausgeführten
Coronaregeln nicht wieder.

In der aktuellen Krise lässt sich eine zunehmende Privilegierung und Stärkung heteronormativer Familienkonzepte feststellen. Politik und Medien verweisen auf die Sicherheit, die durch Rückzug ins Private
erlangt werden kann: Es wird nahegelegt, Sozialkontakte unmittelbar auf die eigene (Kern-)Familie zu
beschränken. Dabei werden zwei normative Behauptungen in den Raum gestellt: 1) Dass die Kernfamilie emotionale Basis und Bezugspunkt jeder Person sei und 2) dass die Kernfamilie daran anknüpfend
immer Schutzraum biete. Hier lässt sich ablesen, woran sich die Coronamaßnahmen orientieren und vor allem welche Lebensarten diese sukzessiv unsichtbar machen. Die heteronormative Kernfamilie wird als Dreh- und Angelpunkt gesellschaftlicher Ordnung bestimmt.

„Obwohl es bei diesen Regelungen gar nicht um die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Personen geht, sind sie dennoch heteronormativ, bevorteilen also solche Lebensformen, die nach den Normen klassischer heterosexueller Beziehungsmodelle funktionieren. Oder andersherum gesagt: Sie benachteiligen zwar Singles und Menschen ohne klassische Familie unabhänging davon, ob sie hetero, schwul, lesbisch, trans* oder non-binary sind, aber sie werten darüber hinaus queere Lebensformen ab.”

Weihnachten 2020 wurde eine Feiertagsregelung für den ‚engsten Familienkreis‘ verabschiedet. Der
Politikwissenschaftler Karsten Schubert erläutert in einem im Dezember erschienenen Artikel
im Philosophie Magazin
, wie sich diese Regelungen auf eine Heteronormativität zurückführen lassen, die aktuelle Gesellschaftsordnung stabilisiert. Aufbauend auf Judith Butlers Definition von Hetero-
normativität beschreibt Schubert eine Regulation von ‚guten Beziehungen‘ und ‚guter Sexualität‘:
„Die heteronormative Auffassung von Sexualität geht also mit einer weitergehenden normativen Ordnung von Lebensformen einher, bei der die monogame und reproduktive Ehe der Inbegriff des guten Lebens ist.“ Dabei zielt diese Stärkung des sogenannten guten Lebens auf die Normierung bürgerlichen und
erfolgreichen Lebens ab. (Paul B. Preciado beschreibt diese heteronormative Regulierung als Teil einer ökonomischen Struktur und politischer Regulierung.) Corona und die damit einhergehenden
Einschränkungen bestärken diese traditionelle Normierung und werfen Deutschland wieder ein Stück
weit zurück.


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Comeback der Kernfamilie


Familismus in der Coronakrise


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